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ABSTRACT
Das Tanzstück ‚Can we talk about this?‘ stammt von der britischen Tanzkompanie DV8, welche 2012 mit jenem Stück im Tanzquartier Wien gastierte. Der Choreograf Lloyd Newson macht Gebrauch von der Arbeitsmethode des Verbatim Theatre, welches authentisches Material wie Interviews, Dokumentationen oder Nachrichten dramatisiert und für die Bühne aufbereitet. In seiner Arbeit verschmilzt dieser Ansatz mit dem des Tanztheaters zum Verbatim Dance Theatre, sodass nicht nur die Beziehung zwischen Fiktion und Wirklichkeit, sondern vor allem jene zwischen Tanz und Text in den Vordergrund rückt. In genau diesem Spannungsfeld bewegt sich die folgende Analyse.
Für die Analyse erscheinen Theoreme aus der narrativistischen Kulturwissenschaft und der Tanzwissenschaft von Belang: beides Felder, die wesentlich durch ihren interdisziplinären Ansatz geprägt sind. Die postklassische Narratologie stellt mit der Theorie der Ubiquität von Narrativen, die sowohl für Identität als auch für unser Verständnis von der Welt eine zentrale Rolle spielt, einen hilfreichen Ansatz zu Verfügung. Die Tanzwissenschaft, für die die Beziehung zwischen Tanz und Text lange ein vorherrschendes Gebiet darstellte, versorgt uns mit einer spezifischen Ästhetik des Körpers, durch die sich Tanz für kulturwissenschaftliche Fragestellungen wie der nach agency öffnet.
Thematisch beschäftigt sich das Stück mit jenem Szenario, das von Samuel Huntington als ‚Clash of Civilzations‘ bezeichnet wurde und das mit dem Anschlag im Jänner 2015 auf die Journalisten des Satiremagazins Charlie Hebdo erneut an Aktualität und gesellschaftlicher Brisanz gewonnen hat. In folgendem Paper soll ein Fragment, das einen Bezug zu niederländischen Akteuren aufweist, aus dem abendfüllenden Tanzstück herausgegriffen und einer exemplarischen Analyse unterzogen werden.
Das Fragment basiert auf einem Interview mit Gijs van der Westerlaken, dem Produzent von
‚Submission‘, und Ayaan Hirsi Ali, jene aus Somalien stammende niederländische Politikerin, die mit ihrer islamkritischen Position die Gemüter erhitzte. Nachdem sie mit Theo van Gogh den Film
‚Submission‘ gedreht hatte, wurde 2004 mitten in Amsterdam ein Anschlag auf ihn verübt, welcher sich als Dutch 9/11 in das niederländische Kollektivgedächtnis einprägen sollte.
In dem Interview thematisiert sie die Strategie des Filmes, durch die sie verdeutlichen möchte, welche Auswirkungen Auszüge aus dem Koran - wortwörtlich ausgelegt und praktiziert - auf das Leben von muslimischen Frauen hat. Darin steht ein Mechanismus zentral, welcher im feministischen Diskurs als das Einschreiben in den Körper geläufig ist.
Dieser Mechanismus wird in dem Tanzduett sichtbar gemacht; aus der abstrakten theoretischen Konnotation des Einschreibens wird sinnlich erfahrbares, konkretes Schreiben auf dem Körper, ein Verzeichnen von Linien einem Erzählstrang gleich, der Spuren in der Identität jenen Körpers hinterlässt, der ihn prägt, bestimmt und be-zeichnet. Gleichzeitig findet in der Choreo-grafie auch ein "Be-schreiben des Raumes" statt: die Tanzenden schreiben sich ebenso in jene Wirklichkeit ein, welche sie bestimmt. Was bleibt ist das Bild eines ge-zeichneten Körpers, einer Identität, der Stimme verliehen wird, die Stimme ist und die wiederum einen Diskurs mitbestimmt, durch den jene Identität ursprünglich gezeichnet worden ist.
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